Nicht immer Mietwagen nach Verkehrsunfall (Az. 7 U 46/17 OLG Hamm)

Bei einer geringen Fahrleistung kann das Anmieten eines Ersatzwagens nach einem Verkehrsunfall nicht erforderlich sein. Dem Geschädigten steht dann nur eine Nutzungsausfallentschädigung zu. Das hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. Januar 2018 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld (Az. 2 O 203/16 LG Bielefeld) bestätigt.  

Der seinerzeit 76 Jahre alte Kläger aus Bielefeld erlitt am 09.02.2016 auf dem Ostwestfalendamm in Bielefeld einen Verkehrsunfall, für den – dies ist im Verlauf des Rechtsstreits geklärt worden – allein die Be-klagte aus Bielefeld verantwortlich ist. In dem vor dem Oberlandesgericht Hamm in der Berufungsinstanz geführten Rechtsstreit streiten der Kläger und die Beklagten – der Kläger hat die Unfallverursacherin mit ihrem Haftpflichtversicherer verklagt – darüber, ob die Beklagten dem Kläger auch Mietwagenkosten in Höhe von ca. 1.230 Euro zu erstatten haben.  

Der Kläger mietete am 22.02.2016 einen Toyota Aygo als Ersatzfahr-zeug an. Mit der Reparatur seines beim Unfall beschädigten Toyota Yaris beauftragte er eine Kfz-Werkstatt in Lemgo. Der von dort aus mit der Schadensbegutachtung beauftragte Kfz-Sachverständige ermittelte Reparaturkosten in Höhe von ca. 4.300 Euro, einen Wiederbeschaffungswert von 3.900 Euro und eine Reparaturdauer von 4-5 Arbeitstagen. Der Kläger beauftragte die Kfz-Werkstatt mit der Instandsetzung des Fahrzeugs. Nach Abschluss der Reparaturarbeiten hatte er den Mietwagen 11 Tage in Anspruch genommen. In dieser Zeit legte der Kläger mit dem Mietwagen 239 km zurück.  

Die Beklagten lehnten die Erstattung der Mietwagenkosten ab, weil sie das Anmieten eines Ersatzfahrzeugs bei der geringen Fahrleistung des Klägers nicht für erforderlich erachteten. Dieser Rechtsauffassung schloss sich das Landgericht in seinem erstinstanzlichen Urteil an. Der Kläger habe nach dem eingeholten Gutachten, so das Landgericht, nur mit einer Wiederherstellungsdauer von 4 bis 5 Tagen zu rechnen gehabt. Für diese wenigen Tage sei es ihm zuzumuten gewesen, für an-stehende Fahrten ein Taxi zu benutzen, zumal er den beschädigten Pkw nicht für berufliche Zwecke gebraucht habe.  

Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die Entscheidung des Landgerichts zu den Mietwagenkosten bestätigt und dem Kläger – anstelle der Mietwagenkosten – nur einen Nutzungsausfallschaden in Höhe von 115 Euro, 5 Tage zu je 23 Euro, zugesprochen.  

Das Anmieten eines Ersatzwagens durch den Kläger sei zur Schadens-behebung nicht erforderlich gewesen, so der Senat. Der Toyota des Klägers sei nach dem Unfall noch fahrbereit gewesen. Er habe dem Klägerdeswegen nur für die tatsächliche Dauer der Reparatur nicht zur Verfügung gestanden. Die Reparatur habe nach den Feststellungen des Sachverständigen in 5 Tagen durchgeführt werden können. Dass sie dann tatsächlich länger gedauert habe, könne der Senat nicht feststellen, weil der Beginn der Reparaturarbeiten nicht mehr zu ermitteln sei.

Unter dem Gesichtspunkt eines von dem Schädiger zu tragenden Prognoserisikos könne der Kläger nicht die Kosten für das elftägige Anmieten des Ersatzfahrzeuges beanspruchen. Nach dem Prognoserisiko schulde ein Schädiger dem Geschädigten nur die Mehrkosten, die ohne eigenes Verschulden des Geschädigten durch die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen entstanden seien. Dieser Gesichtspunkt komme im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, weil der Kläger die Schadensabwicklung vollständig aus der Hand gegeben und somit selbst gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen habe.

Bei der Beurteilung der Mietwagenkosten sei zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger in den elf Tagen nur 239 km gefahren sei. Abzüglich der einmalig zurückgelegten Strecke von seinem Wohnhaus zur Kfz-Werk-statt sei er damit nur ca. 16 km pro Tag gefahren. Der Senat gehe davon aus, dass ein tägliches Fahrbedürfnis von weniger als 20 km am Tag ein Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstelle, weil der Geschädigte dann nicht darauf angewiesen sei, ständig ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben. Anderes habe der insoweit – auch – darlegungspflichtige Kläger nicht vorgetragen. Bei dieser Situation habe sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass Mietwagenkosten von ca. 111 Euro pro Tag die bei seinen Fahrten voraussichtlich anfallenden Taxikosten um ein Mehrfaches übersteigen würden.

Hinzu komme, dass der Kläger bei der Reparatur – zulässig – unter Wahren seines Integritätsinteresses im Rahmen der 130 %-Grenze seinen Wagen habe reparieren lassen. Entschließe sich der Geschädigte bei einer derartigen Situation zur Reparatur seines Fahrzeugs, müsse er die 130 %-Grenze beim Anmieten seines Ersatzfahrzeugs reflektieren. Das habe der Kläger im vorliegenden Fall nicht ausreichend getan, weil die von ihm geltend gemachten Reparaturkosten von ca. 4.300 Euro und die Mietwagenkosten von ca. 1.230 Euro die 130 %-Grenze von 5.070 Euro überschritten.

 In der Gesamtschau dieser Faktoren sei das Anmieten eines Ersatzfahr-zeuges durch den Kläger nicht erforderlich gewesen und ihm deswegen nur ein Nutzungsausfallschaden zuzusprechen.

 Rechtskräftiges Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Januar 2018 (Az. 7 U 46/17 OLG Hamm)