Beschluss des BVerfG zur teilweisen Verfassungswidrigkeit von Section-Control

Mit einem aktuellen Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nach dem Bayerischen Polizeiaufgabengesetz als Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Teilen für verfassungswidrig erklärt.

In solchen Kontrollen liegen Grundrechtseingriffe gegenüber allen Personen, deren Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und abgeglichen werden, unabhängig davon, ob die Kontrolle zu einem Treffer führt (Änderung der Rechtsprechung). Diese Eingriffe sind nur teilweise gerechtfertigt. (BVerfG, 1 BvR 142/15 vom 18.2.2019)

Trotz dieser verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die generelle Erfassung von Kennzeichen, hat das Land Niedersachsen mitgeteilt, dass der aktuell bestehende Test des Systems Section-Control fortgesetzt wird und festgestellte Ordnungswidrigkeiten auch geahndet würden.

Betroffene Autofahrer können sich in einem solchen Fall u.U. auf das BVerfG-Urteil berufen.

OLG Celle: Alleiniges in der Hand halten ist kein Handyverstoß

OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2019, Az.: 3 Ss (OWi) 8/19

Ein Autofahrer befuhr eine Straße innerorts, als er von einer Polizeistreife angehalten wurde. Dier Beamten verhängten ein Bußgeld, weil der Fahrzeugführer ein Mobiltelefon benutzt, indem er es in der Hand gehalten habe. Gegen den daraufhin erlassenen Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Er habe das Mobiltelefon zwar gehalten, aber nicht benutzt. Somit sei kein Verstoß gegeben.

Die Sache ging vor Gericht.

Das OLG Celle gab dem Betroffenen mit Beschluss vom 07.02.2019, Az.: 3 Ss (OWi) 8/19 recht.

Die Richter argumentierten, allein durch das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts während der Fahrt begehe der Fahrer keinen Handyverstoß. Vielmehr müsse auch eine irgendwie geartete Nutzung der Funktionen des Geräts gegeben sein. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut „…. darf nur benutzen… wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird…“. Ohne Benutzung sei das Mobiltelefon ein normaler Gegenstand, der auch umgelagert werden darf. Zum anderen mache es sonst wenig Sinn, diese Vorschrift auf elektronische Geräte zu beschränken, die der Kommunikation, Information oder Organisation dient.

Das Amtsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich aus bestimmten Indizien Anhaltspunkte für ein Gespräch ergeben könnten. Es sei lediglich festgehalten worden, dass die Zeugen keine Lippenbewegungen bestätigen konnten. Mangels Nutzung des Geräts sei daher zunächst kein Handyverstoß anzunehmen.

Hinweis: Die Sache wurde zurückverwiesen, das Amtsgericht muss nunmehr klären, ob die Nutzung nachgewiesen werden kann. Nach Ansicht der Richter müssen dies nicht zwingend Lippenbewegungen sein, auch Art und Dauer des Haltens könnten u.U. Rückschlüsse zulassen.

Gericht definiert Dauer der Karnevalszeit – zumindest für Köln

Montag, 25. Februar 2019 14.33 Uhr Köln (dpa) – Jetzt ist es amtlich: Die Karnevalszeit dauert von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch – zumindest in Köln. Das hat jetzt das Arbeitsgericht der Frohsinnsmetropole festgestellt. Nach Angaben des Gerichts vom Montag geht die Entscheidung auf die Klage einer Kellnerin zurück. Diese hatte am Freitag und am Samstag nach […]

Arbeitsgericht Krefeld: Zahlungsklage eines Trainers gegen den KFC Uerdingen 05 erfolgreich

07.02.2019

Das Arbeitsgericht Krefeld hat heute entschieden, dass dem ehemaligen Trainer der 1. Herrenmannschaft des beklagten Fußballvereins noch Zahlungsansprüche in Höhe von ca. 180.000 € zustehen.

Der Kläger wurde im März 2018 von seiner vertraglich vereinbarten Aufgabe entbunden.

Die Klage war weitgehend erfolgreich. Die Beklagte hat für verschiedene Monate bis einschließlich Januar 2019 das vertraglich vereinbarte Gehalt nicht gezahlt. Soweit Zahlungen zwischenzeitlich für einzelne Monate erfolgten, berücksichtigten diese nicht die Gehaltserhöhung, die bei Teilnahme am Spielbetrieb in der 3. Liga des DFB vereinbart war. Die Beklagte hat sich zu Unrecht darauf berufen, dass diese Erhöhung nur zu zahlen ist, sofern der Kläger selbst als Trainer in der 3. Liga aktiv ist. Nach den vertraglichen Vereinbarungen ist maßgeblich allein, dass die 1. Herrenmannschaft der 3. Liga teilnimmt.

Dem Kläger steht zudem eine Platzierungsprämie für das Erreichen des 1. Platzes und zusätzlich die vertraglich vereinbarte Aufstiegsprämie für den Aufstieg in die 3. Liga zu. Auch insoweit ist es nicht von Bedeutung, ob der Kläger tatsächlich als Trainer an den letzten und entscheidenden Spielen teilgenommen hat. Zudem hat die Beklagte nicht widerlegen können, dass eine Anrechnung der Platzierungsprämie auf die Aufstiegsprämie nicht vereinbart war.

Der Kläger kann zudem verlangen, dass ihm entsprechend den vertraglichen Zusagen Mietwagenkosten und die von ihm verauslagte Miete für die Wohnung erstattet werden. Er hat zudem Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, da ihm kein Dienstwagen mehr zur Verfügung gestellt wurde.

Die Klage hatte keinen Erfolg, soweit der Kläger die Erstattung seiner Anwaltskosten verlangt hat. Ein solcher Kostenerstattungsanspruch ist im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht ausgeschlossen. (Soviel richtig gemacht und dann so ein Antrag!)

Arbeitsgericht Krefeld, Aktenzeichen: 1 Ca 1955/18.

Mithaftung des Radfahrers bei Unfall mit kreuzendem Fußgänger auf dem Radweg

  • Laut Entscheidung des OLG Hamm gelten bei Radwegen für Fußgänger dieselben Sorgfaltspflichten wie beim Überschreiten von Fahrbahnen.
  • Die Beachtung des Fahrverkehrs durch Fußgänger sei sowohl vor als auch während des Überquerens der Fahrbahn bzw. des Radweges in beide Richtungen gem. § 25 Abs. 3 StVO geboten.

Auch dürften Radfahrer grundsätzlich darauf vertrauen, dass Fußgänger beim Überqueren von Radwegen diese besondere Sorgfalt walten ließen.

Wann den Fahrradfahrer eine Mitschuld trifft

Dennoch fand das Gericht Gründe, warum der Fahrradfahrer mitverantwortlich für den Unfall war. Das Gericht verwies auf das allgemeine Gebot der gegenseitigen Rücksichtsnahme aus § 1 StVO

„Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“

  • Danach müsse die Geschwindigkeit bei besonderen Verhältnissen entsprechend an diese angepasst werden.
  • Zudem dürfe wegen des Gebots zur Rücksichtsnahme auch nicht uneingeschränkt darauf vertraut werden, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer die eigene grundsätzliche Bevorrechtigung beachteten.

Im konkreten Fall fuhr der Fahrradfahrer in einer Kurve, nach der sich auf der linken Seite eine Ampel für Fußgänger befand, über die man vom Bahnhofsvorplatz in die Innenstadt gelangt. Aufgrund des häufig regen Fußgängerverkehrs in Bahnhofsnähe und der Tatsache, dass viele Fußgänger gerade dort in Eile und unaufmerksam seien, hätte der beklagte Fahrradfahrer seine Geschwindigkeit ausnahmsweise wegen der besonderen Verkehrssituation anpassen und entsprechend reduzieren müssen, so das OLG.

Warum den Fußgänger ein Mitverschulden trifft

Allerdings gelte auch für die klagende Fußgängerin der allgemeine Sorgfalts- und Rücksichtsnahmegrundsatz aus § 1 Abs. 1 StVO:

  • Konnte die Fußgängerin von ihrem Standpunkt auf dem Gehweg aus nicht genau überblicken, ob aus der Kurve Radfahrer auf dem Radweg herangefahren kamen, die sie wegen deren Vorranges hätte vorbeifahren lassen müssen,
  •  so hätte sie sich vorsichtig in den Bereich des Radweges hineintasten müssen.

Die Klägerin habe weder hinreichend dargelegt, noch nachgewiesen, dass sie bei dem Überqueren des Radweges ausreichend auf Radfahrer geachtet habe. Deshalb bestehe auf Seiten der Fußgängerin ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB. Im Ergebnis sah das Gericht bei beiden Beteiligten eine Haftungsquote von jeweils 50 Prozent.

(OLG Hamm, Urteil v. 19.01.2018, 26 U 53/17).

Wenn’s beim Pflichtteil um die Wurst geht

So jedenfalls hat es das bayerische LG Mosbach entschieden. Im zu Grunde liegenden Fall hatte der Sohn aus der elterlichen Metzgerei unbestimmte Mengen an Wurst entwendet. Und was kränkt einen Metzger mehr, als wenn der eigene Sohn ihm die im Schweiße seines Angesichts hergestellte Wurst aus der Theke stiehlt?

Das Erbrecht für ein Wurstgericht geopfert?

Die Enttäuschung darüber war so groß, dass der Metzgermeister und seine Ehefrau ein gemeinsames Testament errichteten, in dem sie dem Sohn nicht nur sein Erbe, sondern auch seinen Pflichtteil entzogen:

„Unserem Sohn…. entziehen wir hiermit den gesetzlichen Pflichtteil unter den Voraussetzungen des § 2333 Ziff.3  BGB…. Unser Sohn hat sowohl uns im Geschäft wie auch unsere Tochter ….. bestohlen. Gegenüber dem…. Vater wurde er ausfällig und hat ihn bedroht. Dieses vorsätzliche Vergehen betrachten wir deshalb als schweres Vergehen, weil es unter Ausnutzung des bestehenden Vertrauensverhältnisses durchgeführt wurde“

Eigentlich durfte er an die Wurst

Als die Mutter sich nach dem Tod des Vaters auf den Entzug des Pflichtteilsrechts berief, wurde es dem Sohn zu bunt und er verklagte seine Mutter vor dem LG im Wege der Stufenklage zunächst auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und dessen Wertermittlung.

  • Das LG konnte die Argumentation der Eltern in dem gemeinschaftlichen Testament nicht ganz nachvollziehen.
  • Der Sohn arbeitete nämlich im elterlichen Betrieb mit.
  • Entlohnt wurde er unter anderem dadurch, dass er Wurst und Fleisch mitnehmen durfte.

Es blieb ziemlich unklar, in welchen Mengen der Sohn berechtigt Wurst- und Fleischwaren als Lohn für seine Arbeit mitgenommen hatte bzw. in welchem Umfang die Wurst geklaut war.

Entzug des Pflichtteils nur bei schwer wiegendem Fehlverhalten

Das AG stellte in seiner Entscheidung im wesentlichen auf § 2333 BGB ab. Hiernach kann der Pflichtteil nur unter engen Voraussetzungen, d.h. bei einem schweren Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten gegenüber den Eltern entzogen werden. Hierbei muss das Fehlverhalten so schwerwiegend sein, dass es dem Erblasser nicht zugemutet werden kann, hinzunehmen, dass der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil erhält.

Eine vorsätzliche schwere Straftat gegenüber den Erblassern kann gemäß § 2333 Abs. 1 Nummer 2 BGB grundsätzlich ein solches Fehlverhalten beinhalten. Aber auch hier sind stets die Umstände des Einzelfalls zu gewichten. Hierbei kommt es nach Auffassung des LG weniger auf das strafrechtlich geschützte Rechtsgut, sondern vielmehr darauf an, inwieweit der Erblasser in unzumutbarer Weise beleidigt, gekränkt oder sonst zu Schaden gekommen ist.

Die Missachtung der besonderen Eltern-Kind-Beziehung ist entscheidend

Bei der Abwägung spielt eine grobe Missachtung des besonderen Eltern-Kind-Verhältnisses eine gewichtige Rolle. Nach Auffassung des LG stellt die Mitnahme von Fleischprodukten, auch wenn im Einzelfall hierzu keine Berechtigung bestanden hätte, keine Verfehlung dar, die den nach dem Gesetz erforderlichen Schweregrad erreicht. Selbst die Wegnahme einzelner Geldscheine aus einer Geldkassette – wie sie von der Mutter des Klägers behauptet wurde – stelle im Eltern-Kind-Verhältnis kein so außergewöhnliches Ereignis dar, dass dies den Entzug des Pflichtteilsrechts rechtfertige.

Eine verbale Bedrohung kann in hitziger Debatte vorkommen

Auch eine einmalige Bedrohung im Rahmen eines hitzigen Streits berechtigt nach Auffassung des LG den Erblasser nicht zum Entzug des Pflichtteilsrechts. Dies gelte auch dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen des Streits damit gedroht habe, den Erblasser zu erschlagen. Hierzu hätte die Beklagtenseite nach Auffassung des LG vortragen müssen, aus welchen Umständen heraus der Vater des Klägers diese Drohung ernst genommen habe. In einem Streit könne eine solche Bemerkung fallen und dennoch nehme sie keiner der Beteiligten für bare Münze.

Pflichtteilsentzug auch formal fehlerhaft

Nach Auffassung des Gerichts waren auch die formalen Voraussetzungen für den Pflichtteilsentzug nicht erfüllt. Der Text des Testamentes sei hinsichtlich der Gründe für den Pflichtteilsentzugs äußerst vage und unbestimmt formuliert. Das LG verurteilte die Erben daher zur Erteilung der geforderten Auskünfte

(LG Mosbach, Urteil v. 31.1.2014, 2 O 182/13).

Regress des Sozialamtes für Heimunterbringung der Eltern

Die Mutter der beklagten Tochter zahlte in der Folgezeit an diese eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 340 Euro. Nachdem der Vater verstorben war, lebte die Mutter seit 2012 in einer Alten- und Pflegeeinrichtung. Die Tochter vermietete darauf die Wohnung zu einer monatlichen Kaltmiete von 360 Euro weiter. Auch die Bewertung dieser von der Tochter gezogenen Nutzungen in Form von Mieteinnahmen war Gegenstand des Rechtsstreits.

Der Landkreis leistete bis zum Tod der Mutter im Jahr 2015 Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 22.248,37 Euro. Diesen Betrag machte der Landkreis gegenüber der Beklagten als Zahlungsanspruch aus übergeleitetem Recht geltend.

Den rechtlichen Ausgangspunkt dieser Forderung liefert § 528 BGB. Danach kann der Schenker von dem Beschenkten u.a. die Herausgabe der Schenkung insoweit nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen, als der Schenker nach der Vollziehung der Schenkung außer Stande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten.

BGH setzt am objektiven Wert der Schenkung an

Im Gegensatz zur Vorinstanz, die dem Kläger lediglich eine Zahlung in Höhe der erwirtschafteten Mietüberschüsse der Beklagten zuerkannte, stellte der BGH klar, dass der Anspruch des Landkreises insgesamt nach der Höhe des Wertes der erfolgten Schenkung zu bemessen sei.

  • § 528 BGB habe den Zweck, den Schenker vor einer wirtschaftlichen Notlage zu bewahren, solange der Beschenkte durch das Geschenk bereichert ist.
  • Die Vorschrift habe die Ausgleichung der wirtschaftlichen Notlage des Schenkers in der Weise im Sinn, als hätte es das Geschenk nicht gegeben.
  • Bei der Bestimmung des Umfangs des Herausgabeanspruchs sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten.

Herauszugeben sei deshalb nicht nur der ursprünglich geschenkte Gegenstand, vielmehr seien auch die Nutzungen, die der Beschenkte aus dem Gegenstand gezogen hat, Gegenstand des Herausgabeanspruches.

Verzicht auf das Wohnrecht hat einen ermittelbaren Verkehrswert

Soweit die Herausgabe nicht möglich ist, ist nach dem Diktum des Senats der objektive Wert zu ersetzen, § 818 Abs. 2 BGB. Im Zweifel sei dies der Verkehrswert, der den Geldwert widerspiegele, für den der Gegenstand erhältlich sei.

  • Bei dem hier erfolgten Verzicht auf das Wohnungsrecht sei die hierdurch eingetretene Erhöhung des Verkehrswertes des Grundstückes maßgeblich  (BGH, Urteil 26.10.1999, X ZR 69/97).
  • Dieser Wert finde in der für einen solchen Verzicht am Markt üblichen Gegenleistung seinen Ausdruck (BGH, Urteil v. 7.3.2013, III ZR 231/12).

Für die Bewertung kommt es auf den Zeitpunkt der Zuwendung an

Im anhängigen Fall habe die Beklagte durch den Verzicht auf das Wohnungsrecht anstelle eines belasteten Grundstücks ein lastenfreies Grundstück erhalten. Das Geschenk bestehe in der hierdurch erzielten Erhöhung des Grundstückswertes zum Zeitpunkt der Zuwendung.

Da es auf den Zeitpunkt der Zuwendung ankomme, könne dieser Sichtweise – entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung – nicht entgegengehalten werden, dass das lastenfreie Grundstück der Beklagten nach dem Tod der Mutter ohnehin als Erbe zugefallen wäre.

Darüber hinaus schuldet der Beschenkte nach Auffassung des Senats die Herausgabe der Bereicherung, die sich aus der mit der Schenkung eingetretenen wirtschaftlichen Möglichkeit zur Nutzung des geschenkten Gegenstandes ergeben haben. Insoweit sei allerdings im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen, inwieweit die Bereicherung möglicherweise weggefallen sei, beispielsweise für Zeiträume, in denen die Wohnung nicht vermietet worden sei.

Das Gericht sah den Rechtstreit als noch nicht zur Entscheidung reif an, da die Vorinstanz noch keine ausreichenden Feststellungen zum Wert der Zuwendung, u.a. auch zu der zum Zeitpunkt der Zuwendung zu erwartenden Dauer des Wohnungsrechts angestellt hatte. Diese Feststellungen muss die Vorinstanz noch nachholen. Zu diesem Zweck hat der BGH den Rechtstreit zur weiteren Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

(BGH,Urteil v. 17.4.2018, X ZR 65/17)

Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess entschieden.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger nimmt den Beklagten und seine Haftpflichtversicherung nach einem Verkehrsunfall auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Die Fahrzeuge der Parteien waren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich kollidiert. Die Beteiligten streiten darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hat. Die Fahrt vor der Kollision und die Kollision wurden von einer Dashcam aufgezeichnet, die im Fahrzeug des Klägers angebracht war.

Das Amtsgericht hat dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr die Hälfte seines Gesamtschadens zugesprochen. Der Kläger habe für seine Behauptung, der Beklagte sei beim Abbiegen mit seinem Fahrzeug auf die vom Kläger genutzte Fahrspur geraten, keinen Beweis erbracht. Der Sachverständige komme in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht die Schilderungen beider Parteien zum Unfallhergang prinzipiell möglich seien. Dem Angebot des Klägers, die von ihm mit einer Dashcam gefertigten Bildaufnahmen zu verwerten, sei nicht nachzukommen. Die Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Die Aufzeichnung verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und unterliege einem Beweisverwertungsverbot. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung des Senats:

Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die vorgelegte Videoaufzeichnung ist nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig. Sie verstößt gegen § 4 BDSG, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist und nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann. Jedenfalls eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des Klägers ist zur Wahrnehmung seiner Beweissicherungsinteressen nicht erforderlich, denn es ist technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens zu gestalten, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges.

Dennoch ist die vorgelegte Videoaufzeichnung als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess verwertbar. Die Unzulässigkeit oder Rechtwidrigkeit einer Beweiserhebung führt im Zivilprozess nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Über die Frage der Verwertbarkeit ist vielmehr aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild andererseits führt zu einem Überwiegen der Interessen des Klägers.

Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den sich der Beklagte freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Rechnung zu tragen ist auch der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt.

Der mögliche Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte anderer (mitgefilmter) Verkehrsteilnehmer führt nicht zu einer anderen Gewichtung. Denn ihrem Schutz ist vor allem durch die Regelungen des Datenschutzrechts Rechnung zu tragen, die nicht auf ein Beweisverwertungsverbot abzielen.

Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen können mit hohen Geldbußen geahndet werden und vorsätzliche Handlungen gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht sind mit Freiheitsstrafe bedroht. Im Übrigen kann die Aufsichtsbehörde mit Maßnahmen zur Beseitigung von Datenschutzverstößen steuernd eingreifen.

Schließlich ist im Unfallhaftpflichtprozess zu beachten, dass das Gesetz den Beweisinteressen des Unfallgeschädigten durch die Regelung des § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) ein besonderes Gewicht zugewiesen hat. Danach muss ein Unfallbeteiligter die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und die Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglichen. Nach § 34 StVO sind auf Verlangen der eigene Name und die eigene Anschrift anzugeben, der Führerschein und der Fahrzeugschein vorzuweisen sowie Angaben über die Haftpflichtversicherung zu machen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 4 Abs. 1 BDSG:

(1) Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat.

§ 6b Abs. 1 BDSG:

(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie ….

3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. ….

§ 28 Abs. 1 BDSG:

(1) Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig

2. soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. …

Urteil des BGH vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17

Vorinstanzen:

AG Magdeburg – Urteil vom 19. Dezember 2016 – 104 C 630/15

LG Magdeburg – Urteil vom 5. Mai 2017 – 1 S 15/17

Nutzungsausfall für ein Motorrad

Das Motorrad des Klägers, das eine Saisonzulassung mit einem Betriebszeitraum von März bis einschließlich Oktober hatte, wurde am 05. September 2014 umgestoßen, wobei es erheblich beschädigt wurde. Der Beklagte ist dem Grunde nach zu 100 % einstandspflichtig.

Das beschädigte Motorrad wurde am 30. September 2014 besichtigt, worauf dem Kläger das Gutachten am 11. Oktober zuging. Das Fahrzeug wurde am 13. Dezember so weit repariert, dass die Fahrbereitschaft wieder hergestellt wurde.

In erster und zweiter Instanz wurde der Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung verneint. Begründet wurde die Abweisung u. a. damit, dass der Kläger über eine Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel verfüge und nur ausnahmsweise unter bestimmten Bedingungen das Motorrad nutze, nämlich nur in der Zeit von März bis Oktober und nur bei gutem Wetter. Die Benutzbarkeit des Motorrades sei für den Kläger daher nicht vorhersehbar, so dass er jederzeit mit der Erforderlichkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel rechnen müsse.

Aus den Gründen:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs einen geldwerten Vorteil dar, so dass der vorübergehende Entzug als Vermögens- schaden anzusehen ist. Ein Vermögensschaden ist hingegen dann nicht anzunehmen, wenn das Kraftfahrzeug reinen Freizeitzwecken dient.  Da das Motorrad als einziges dem Geschädigten zur Verfügung stehende Kraftfahrzeug nicht ausschließlich zu Freizeitzwecken genutzt wird, stellt sich der Entzug der Gebrauchsmöglichkeit nicht lediglich als individuelle Genussschmälerung dar. Der Kläger nutzt das Motorrad unstrittig u.a. für Fahrten zur Arbeit, zu Einkäufen oder weiter entfernten Bekannten.

Der Umstand, dass der Kläger sein Motorrad nur bei günstigen Witterungsbedingungen nutzt, ist erst im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung zu prüfen, wobei festzustellen ist, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum willens und in der Lage war, das Motorrad zu nutzen.  Der Nutzungswille fehlt nicht bereits deshalb, weil sich der Kläger erst Mitte Dezember um eine Notreparatur kümmerte, da nicht festzustellen ist, dass der Kläger bereits vor Zugang des Gutachtens davon wusste, dass für die Wiederherstellung der Fahrbereitschaft lediglich der Austausch des Bremshebels erforderlich war. Darüber hinaus befand sich der Kläger in der zweiten Oktoberhälfte bis zum Ende des Betriebszeitraums (März bis Oktober) in Urlaub.

Da keine Feststellungen dazu getroffen wurden, ob der Kläger aufgrund der Wetterbedingungen das Motorrad in dem streitgegenständlichen Zeitraum nutzen konnte und wollte, war die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Im Ergebnis bestätigt der BGH mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung, wonach eine Nutzungsausfallentschädigung auch für Krafträder oder auch Wohnmobile zugesprochen werden kann, wenn die betreffende Sache eigenwirtschaftlich, vermögensmäßig erfassbar eingesetzt wird (so auch schon: Urteil vom 10.06.2008, Az. VI ZR 248/07, DAR 2008, S. 465).  Weiterhin erklärt der BGH, dass die vermögensrechtliche Bewertung und das Vorhandensein von Nutzungsmöglichkeit sowie Nutzungswille durch die Instanzgerichte im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung festzustellen sind.

so Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2018 (Az. VI ZR 57/17

LAG Schleswig-Holstein: Wirksame Verdachtskündigung erfordert angemessene Zeitspanne für Stellungnahme des Arbeitnehmers

Wer einem Arbeitnehmer gegenüber eine Kündigung aussprechen will, die nicht auf Tatsachen, sondern auf einem Verdacht beruht, muss ihm angemessene Zeit für die Antwort einräumen. Setzt der Arbeitgeber dagegen eine zu kurze Frist und kündigt dem Arbeitnehmer nach deren Ablauf, ohne dass die Stellungnahme des Betroffenen vorliegt, so ist die Kündigung als Verdachtskündigung rechtsunwirksam. Eine Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen ist nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein zu kurz (Urteil vom 21.03.2018, Az.: 3 Sa 398/17).

Verdachtskündigung wegen ungewissen Verbleibs eines Laptops

Der als Entwicklungsingenieur beschäftigte Kläger stritt sich mit seiner Arbeitgeberin, der Beklagten, schon mehrfach bis zur 2. Instanz über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Im vom LAG Schleswig-Holstein nunmehr entschiedenen Fall ging es neben einer Versetzung und einer Änderungskündigung um eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 12.08.2016, die unter anderem mit dem Verdacht von Straftaten begründet wurde.

Im Zuge der im Rechtsstreit ebenfalls streitigen Versetzung des Klägers aus der Entwicklungsabteilung in den Außendienst erhielt der Kläger von der Beklagten im Juni 2016 ein Laptop ausgehändigt. Er war seitdem durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem der Kläger größere Datenmengen über das Laptop heruntergeladen hatte, verlangte die Beklagte den Laptop heraus. Am 03.08.2016 übersandte der Kläger der Beklagten einen anderen Laptop. Ob dies versehentlich erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls gab die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 04.08.2016, in dessen Briefkasten frühestens am Abend eingegangen, Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 08.08.2016, 13 Uhr. Als die Frist verstrichen war, brachte die Beklagte die außerordentliche Verdachtskündigung auf den Weg.

LAG: Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen zu kurz

Das LAG hält – angesichts des Umstands, dass sich die Parteien bereits anderweitig in vertraglichen und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen befanden, in welchen sich der Kläger stets anwaltlich vertreten ließ – die Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen bis Montagmittag für in jeder Hinsicht unangemessen kurz. Dies gelte umso mehr, als dass die Beklagte das Anhörungsschreiben nicht zugleich dem Prozessbevollmächtigten des Klägers – gegebenenfalls auch per Fax – zugesandt habe. Außerdem habe sie gewusst, dass der Kläger arbeitsunfähig krank gewesen sei. Sie hätte somit damit rechnen müssen, dass sich dieser gerade nicht durchgängig zu Hause aufhält.

(so das LAG Schleswig-Holstein , Urteil vom 21.03.2018 – 3 Sa 398/17)