Nutzungsausfall für ein Motorrad

Das Motorrad des Klägers, das eine Saisonzulassung mit einem Betriebszeitraum von März bis einschließlich Oktober hatte, wurde am 05. September 2014 umgestoßen, wobei es erheblich beschädigt wurde. Der Beklagte ist dem Grunde nach zu 100 % einstandspflichtig.

Das beschädigte Motorrad wurde am 30. September 2014 besichtigt, worauf dem Kläger das Gutachten am 11. Oktober zuging. Das Fahrzeug wurde am 13. Dezember so weit repariert, dass die Fahrbereitschaft wieder hergestellt wurde.

In erster und zweiter Instanz wurde der Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung verneint. Begründet wurde die Abweisung u. a. damit, dass der Kläger über eine Jahreskarte für öffentliche Verkehrsmittel verfüge und nur ausnahmsweise unter bestimmten Bedingungen das Motorrad nutze, nämlich nur in der Zeit von März bis Oktober und nur bei gutem Wetter. Die Benutzbarkeit des Motorrades sei für den Kläger daher nicht vorhersehbar, so dass er jederzeit mit der Erforderlichkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel rechnen müsse.

Aus den Gründen:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs einen geldwerten Vorteil dar, so dass der vorübergehende Entzug als Vermögens- schaden anzusehen ist. Ein Vermögensschaden ist hingegen dann nicht anzunehmen, wenn das Kraftfahrzeug reinen Freizeitzwecken dient.  Da das Motorrad als einziges dem Geschädigten zur Verfügung stehende Kraftfahrzeug nicht ausschließlich zu Freizeitzwecken genutzt wird, stellt sich der Entzug der Gebrauchsmöglichkeit nicht lediglich als individuelle Genussschmälerung dar. Der Kläger nutzt das Motorrad unstrittig u.a. für Fahrten zur Arbeit, zu Einkäufen oder weiter entfernten Bekannten.

Der Umstand, dass der Kläger sein Motorrad nur bei günstigen Witterungsbedingungen nutzt, ist erst im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung zu prüfen, wobei festzustellen ist, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum willens und in der Lage war, das Motorrad zu nutzen.  Der Nutzungswille fehlt nicht bereits deshalb, weil sich der Kläger erst Mitte Dezember um eine Notreparatur kümmerte, da nicht festzustellen ist, dass der Kläger bereits vor Zugang des Gutachtens davon wusste, dass für die Wiederherstellung der Fahrbereitschaft lediglich der Austausch des Bremshebels erforderlich war. Darüber hinaus befand sich der Kläger in der zweiten Oktoberhälfte bis zum Ende des Betriebszeitraums (März bis Oktober) in Urlaub.

Da keine Feststellungen dazu getroffen wurden, ob der Kläger aufgrund der Wetterbedingungen das Motorrad in dem streitgegenständlichen Zeitraum nutzen konnte und wollte, war die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Im Ergebnis bestätigt der BGH mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung, wonach eine Nutzungsausfallentschädigung auch für Krafträder oder auch Wohnmobile zugesprochen werden kann, wenn die betreffende Sache eigenwirtschaftlich, vermögensmäßig erfassbar eingesetzt wird (so auch schon: Urteil vom 10.06.2008, Az. VI ZR 248/07, DAR 2008, S. 465).  Weiterhin erklärt der BGH, dass die vermögensrechtliche Bewertung und das Vorhandensein von Nutzungsmöglichkeit sowie Nutzungswille durch die Instanzgerichte im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung festzustellen sind.

so Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.01.2018 (Az. VI ZR 57/17

LAG Schleswig-Holstein: Wirksame Verdachtskündigung erfordert angemessene Zeitspanne für Stellungnahme des Arbeitnehmers

Wer einem Arbeitnehmer gegenüber eine Kündigung aussprechen will, die nicht auf Tatsachen, sondern auf einem Verdacht beruht, muss ihm angemessene Zeit für die Antwort einräumen. Setzt der Arbeitgeber dagegen eine zu kurze Frist und kündigt dem Arbeitnehmer nach deren Ablauf, ohne dass die Stellungnahme des Betroffenen vorliegt, so ist die Kündigung als Verdachtskündigung rechtsunwirksam. Eine Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen ist nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein zu kurz (Urteil vom 21.03.2018, Az.: 3 Sa 398/17).

Verdachtskündigung wegen ungewissen Verbleibs eines Laptops

Der als Entwicklungsingenieur beschäftigte Kläger stritt sich mit seiner Arbeitgeberin, der Beklagten, schon mehrfach bis zur 2. Instanz über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Im vom LAG Schleswig-Holstein nunmehr entschiedenen Fall ging es neben einer Versetzung und einer Änderungskündigung um eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 12.08.2016, die unter anderem mit dem Verdacht von Straftaten begründet wurde.

Im Zuge der im Rechtsstreit ebenfalls streitigen Versetzung des Klägers aus der Entwicklungsabteilung in den Außendienst erhielt der Kläger von der Beklagten im Juni 2016 ein Laptop ausgehändigt. Er war seitdem durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem der Kläger größere Datenmengen über das Laptop heruntergeladen hatte, verlangte die Beklagte den Laptop heraus. Am 03.08.2016 übersandte der Kläger der Beklagten einen anderen Laptop. Ob dies versehentlich erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls gab die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 04.08.2016, in dessen Briefkasten frühestens am Abend eingegangen, Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 08.08.2016, 13 Uhr. Als die Frist verstrichen war, brachte die Beklagte die außerordentliche Verdachtskündigung auf den Weg.

LAG: Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen zu kurz

Das LAG hält – angesichts des Umstands, dass sich die Parteien bereits anderweitig in vertraglichen und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen befanden, in welchen sich der Kläger stets anwaltlich vertreten ließ – die Stellungnahmefrist von nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen bis Montagmittag für in jeder Hinsicht unangemessen kurz. Dies gelte umso mehr, als dass die Beklagte das Anhörungsschreiben nicht zugleich dem Prozessbevollmächtigten des Klägers – gegebenenfalls auch per Fax – zugesandt habe. Außerdem habe sie gewusst, dass der Kläger arbeitsunfähig krank gewesen sei. Sie hätte somit damit rechnen müssen, dass sich dieser gerade nicht durchgängig zu Hause aufhält.

(so das LAG Schleswig-Holstein , Urteil vom 21.03.2018 – 3 Sa 398/17)

Ansprüche aus einem Pflichtteilsrecht dürfen jedenfalls dann nicht als verwirkt angesehen werden, wenn hierdurch die in §§ 2333 ff., § 2339, § 2345 Abs. 2 BGB getroffenen gesetzlichen Wertungen – insbesondere das Formerfordernis des § 2336 Abs. 1 BGB – umgangen werden würden. (Rn. 36)

Das OLG Nürnberg (Beschluss vom 04.01.2018 – 12 U 1668/17)  hat mit Hinweisbeschluss gemäß § 522 ZPO noch einmal die Grenzen und Möglichkeiten einer Pflichtteilentziehung skizziert.
Kurz gesagt:  Wenn der Erblasser im Testament keine Pflichtteilsentziehung erklärt hat, scheidet diese auch dann aus, wenn die Gründe für eine Entziehung des Pflichtteils vorgelegen hätten. Eine mögliche Pflichtteilsunwürdigkeit muss konkret dargelegt und bewiesen werden.
Hier die Entscheidung:
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege einer Stufenklage Auskunft, Wertermittlung, Versicherung an Eides statt und schließlich Zahlung auf einen Pflichtteilsanspruch.
2
1. Der Kläger ist der Vater des am 10.05.2016 verstorbenen A. B. (nachfolgend: Erblasser). Die Beklagte ist dessen Witwe und Alleinerbin. Im Nachlass befinden sich unstreitig mehrere Immobilien, die die Beklagte auch gegenüber dem Nachlassgericht angegeben hat (vgl. Anlage K3).
3
Mit Schreiben vom 31.08.2016 (Anlage K1) ließ der Kläger die Beklagte auffordern, über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
4
Der Kläger hat erstinstanzlich auf dem Standpunkt gestanden, ihm stehe ein Pflichtteilsanspruch im Umfang von 1/8 des Nachlasswerts und entsprechende Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche aus § 2314 Abs. 1 BGB zu.
5
Er hat daher eine Stufenklage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung in Form der Vorlage eines Nachlassverzeichnisses, zur Ermittlung des Wertes einer Reihe von einzeln aufgezählten Immobilien durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens, erforderlichenfalls zur eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit der Angaben und schließlich zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 1/8 des Gesamtnachlasswerts zu verurteilen.
6
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu insbesondere ausgeführt:
7
Der Kläger benötige die beanspruchte Auskunft nicht, da er bereits über die Angaben der Beklagten gegenüber dem Nachlassgericht über ausreichende Kenntnisse verfüge.
8
Dessen ungeachtet habe der Kläger durch sein Verhalten dem Erblasser gegenüber sein Pflichtteilsrecht verwirkt, insbesondere indem er diesem als Kind keinen gehörigen Unterhalt geleistet und ihn fortwährend gedemütigt, beleidigt, misshandelt, geschlagen, mit 14 Jahren aus dem Haus getrieben sowie – mit bedingtem Tötungsvorsatz – mit einem Schraubenzieher angegriffen habe. Durch dieses Verhalten habe der Kläger die Pflichtteilsentziehungsgründe gemäß § 2333 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 BGB verwirklicht. Zudem habe der Kläger Gelder des Erblassers veruntreut. Der Erblasser habe daher stets geäußert, dass der Kläger von ihm nichts mehr bekommen werde. Bei der Errichtung seines Testaments im Jahr 1985 sei der Erblasser irrtümlich davon ausgegangen, dass der Kläger aus dem Nachlass nichts erhalten werde.
9
Bei der Berechnung des Nachlasswerts müssten jedenfalls Erstattungs-, Rückzahlungs- und Ausgleichsansprüche der Beklagten gegen den Erblasser berücksichtigt werden. Zumindest müsste sich der Kläger vom Erblasser erhaltene Leistungen – insbesondere einen Geldbetrag von 50.000,00 € für einen Hausbau in Italien – auf einen etwaigen Anspruch anrechnen lassen.
10
2. Das Landgericht hat im angegriffenen Teil-Endurteil der Klage hinsichtlich des Auskunftssowie des Wertermittlungsantrags stattgegeben. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:
11
Nach § 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB stehe dem Kläger als Vater des Erblassers grundsätzlich ein Pflichtteilsrecht zu, nachdem der Erblasser den Kläger durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen habe. Dementsprechend stünden dem Kläger die vorbereitenden Ansprüche aus § 2314 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Halbs. 2 BGB auf Auskunftserteilung und Wertermittlung zu.
12
Der Kläger habe sein Pflichtteilsrecht weder verloren noch verwirkt.
13
Eine Pflichtteilsentziehung sei nicht erfolgt, nachdem der Erblasser diese entgegen § 2336 Abs. 1 BGB nicht letztwillig verfügt habe.
14
Soweit neben der Pflichtteilsentziehung gemäß §§ 2333 ff. BGB und der Pflichtteilsunwürdigkeit gemäß § 2345 Abs. 1, Abs. 2, §§ 2339 ff. BGB überhaupt eine Verwirkung des Pflichtteilsrechts oder daraus folgender Ansprüche in Betracht kommen könnte, so lägen die Voraussetzungen hierfür jedenfalls nicht vor.
15
Ob der Beklagten Ansprüche gegen den Nachlass oder sonstige Abzugspositionen zustehen, könne für die erfolgte Entscheidung dahinstehen, da jedenfalls derzeit nicht festgestellt werden könne, dass diese einen Pflichtteilsanspruch in vollständiger Höhe ausschließen würden.
16
Die streitgegenständlichen Ansprüche seien noch nicht erfüllt, insbesondere nicht durch die Angaben der Beklagten gegenüber dem Nachlassgericht.
17
3. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiter. Zur Begründung führt sie insbesondere aus:
18
Zu Unrecht habe das Landgericht eine Verwirkung des Pflichtteilsanspruchs des Klägers verneint.
19
Der Erblasser habe irrtümlich angenommen, dass der Kläger vor dem Erblasser versterben werde, dass der Kläger aus dem Nachlass des Erblassers nichts erhalten werde und dass die Beklagte im Falle eines Versterbens des Erblassers ausreichend abgesichert sei. Wäre der Kläger diesen Irrtümern nicht unterlegen, so hätte er dem Kläger den Pflichtteil entzogen.
20
Das Verhalten des Klägers stelle jedenfalls eine böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser dar.
21
Das Landgericht hätte jedenfalls Beweis dazu erheben müssen, dass der Erblasser zu Lebzeiten mehrfach geäußert habe, der Kläger werde aus seinem Nachlass nichts erhalten.
22
4. Der Kläger verteidigt das Ersturteil.
II.
23
Die – zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Berufung kann keinen Erfolg haben.
24
Die Berufung hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Umstände aufgezeigt, welche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen landgerichtlichen Feststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem in dem angefochtenen Urteil dargelegten Tatbestand auszugehen.
25
Die Berufung trägt auch keine Umstände dafür vor, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO). Das angefochtene Urteil stellt sich vielmehr als zutreffend dar.
26
Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil wird zunächst verwiesen. Ergänzend ist auszuführen:
27
1. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass der Erblasser dem Kläger den Pflichtteil jedenfalls deswegen nicht wirksam entzogen hat, weil er die Entziehung nicht in der nach § 2336 Abs. 1 BGB zwingend erforderlichen Form einer letztwilligen Verfügung vorgenommen hat.
28
a) Eine letztwillige Verfügung des Erblassers hinsichtlich der Entziehung des Pflichtteils des Klägers existiert unstreitig nicht.
29
b) Ob der Erblasser in anderer Form den Willen kundgetan haben mag, dass der Kläger aus seinem Nachlass nichts mehr bekommen sollte, ist daher unerheblich und musste vom Landgericht deswegen auch nicht aufgeklärt werden. Es kann daher insbesondere auch dahinstehen, ob die Behauptungen der Beklagten zu einer böswilligen Unterhaltspflichtverletzung i.S. des § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB zutreffen oder nicht.
30
c) Unerheblich ist auch, ob sich der Erblasser hinsichtlich des Vorversterbens, der Beteiligung des Klägers am Nachlass oder der Absicherung der Beklagten in einem Irrtum befunden haben mag. Ein solcher Irrtum könnte allenfalls – etwa über eine Anfechtung – zur Vernichtung tatsächlich vorgenommener Verfügungen führen, nicht hingegen zur Fiktion einer tatsächlich nicht getroffenen Verfügung.
31
2. Eine Pflichtteilsunwürdigkeit i.S. von § 2345 Abs. 2 – die gemäß § 2345 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 2341, § 143 Abs. 1 BGB von der Beklagten selbst durch einfache Erklärung gegenüber dem Kläger geltend gemacht werden könnte – ist nicht anzunehmen.
32
a) Von den in § 2339 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 BGB abschließend aufgeführten Unwürdigkeitsgründen kommt nach dem Vortrag der Beklagten allenfalls ein widerrechtlicher Tötungsversuch in Betracht (§ 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB), nachdem die Beklagte behauptet hat, der Kläger habe mit bedingtem Tötungsvorsatz versucht, den Erblasser mit einem Schraubenzieher zu verletzen. Dieser – vom Kläger vollumfänglich bestrittene – Vortrag ist jedoch unbeachtlich, da er insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts, des Orts und der Umstände des behaupteten Vorfalls ohne Substanz ist und von der Beklagten jedenfalls nicht unter Beweis gestellt wurde. In der Berufungsbegründung beruft sich die Beklagte dementsprechend hierauf auch nicht mehr.
33
b) Ein Irrtum des Erblassers könnte insofern nur dann relevant werden, wenn gerade der Kläger den Irrtum beim Erblasser erregt hätte und diesen dadurch widerrechtlich und vorsätzlich von der Vornahme einer Verfügung abgehalten hätte (§ 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Eine Irrtumserregung durch den Kläger behauptet die Beklagte jedoch selbst nicht.
34
3. Zu Recht hat das Landgericht auch eine Verwirkung des Pflichtteilsrechts und der daraus resultierenden Ansprüche des Klägers verneint.
35
a) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Ausschluss von Ansprüchen aus dem verfassungsmäßig geschützten (Art. 14 Abs. 1 GG) und nicht frei entziehbaren Pflichtteilsrecht wegen eines den Interessen des Erblassers zuwiderlaufenden Verhaltens des Pflichtteilsberechtigten durch die Rechtsinstitute der Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 ff. BGB) und der Pflichtteilsunwürdigkeit (§ 2345 Abs. 1, Abs. 2, § 2339 ff. BGB) grundsätzlich abschließend geregelt. Insbesondere sind sowohl die in § 2333 Abs. 1 BGB aufgeführten Pflichtteilsentziehungsgründe als auch die in § 2339 Abs. 1 BGB aufgeführten Unwürdigkeitsgründe abschließend und einer Analogie nicht zugänglich (vgl. zu § 2333 BGB: BGH, Urteil vom 25. Oktober 1976 – IV ZR 109/74 – NJW 1977, 339, juris Tz. 20; OLG Frankfurt, Urteil vom 29. Oktober 2013 – 15 U 61/12 – FamRZ 2014, 1149, juris Tz. 63; vgl. zu § 2339 BGB: BGH, Urteil vom 10. Juni 1968 – III ZR 67/66 – NJW 1968, 2051; OLG Frankfurt, Urteil vom 29. Oktober 2010 – 21 U 9/10 – FamRZ 2011, 1177, juris Tz. 44).
36
b) Selbst wenn daneben Fallgestaltungen denkbar sein sollten, in denen über die vorgenannten Rechtsinstitute hinaus eine Verwirkung der Rechte des Pflichtteilsberechtigten angenommen werden könnte, so darf die Annahme einer solchen Verwirkung nicht zu einer Umgehung der vom Gesetzgeber in §§ 2333 ff. BGB und §§ 2339 ff. BGB getroffenen Wertentscheidungen führen. Insbesondere darf dadurch nicht das Formerfordernis des § 2336 Abs. 1 BGB umgangen oder die gegenüber den Pflichtteilsentziehungsgründen bewusst beschränkend vorgenommene Aufzählung der Unwürdigkeitsgründe ignoriert werden. Fällt also ein Verhalten des Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich in den Anwendungsbereich der in § 2333 Abs. 1 BGB aufgeführten Pflichtteilsentziehungsgründe, verwirklicht es aber keinen Unwürdigkeitsgrund i.S. des § 2339 Abs. 1 BGB, so darf das Recht des Pflichtteilsberechtigten nicht über die Annahme einer Verwirkung ausgeschlossen werden, wenn der Erblasser eine Pflichtteilsentziehung tatsächlich nicht in der Form des § 2336 Abs. 1 BGB wirksam verfügt hat.
37
c) Es kann daher dahinstehen, ob die von der Beklagten behaupteten Verhaltensweisen des Klägers gegenüber dem Erblasser – insbesondere die behauptete böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht sowie die körperlichen Misshandlungen und Beleidigungen – stattgefunden haben, hierdurch die Pflichtteilsentziehungsgründe des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB (zur erstinstanzlich behaupteten versuchten Tötung i.S. des § 2333 Abs. 1 Nr. siehe bereits oben unter 2a) verwirklicht wurden und ob der Erblasser dem Kläger möglicherweise verziehen hat. Die Annahme einer Verwirkung kann darauf schon deswegen nicht gestützt werden, weil damit die in § 2333 Abs. 1, § 2339 Abs. 1 BGB zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Grundentscheidung unterlaufen und die Unwürdigkeitsgründe des § 2339 Abs. 1 BGB über den abschließenden Katalog hinaus erweitert würden.

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